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Geschäftsleute auf deren Reisen begleitete, Ratschläge erteilte,
ins politische Leben der Stadt eingriff. Im Mittelalter wurde
wegen der ansteckenden Geschlechtskrankheiten& «
Stille, Angst vor Grippe und dazu die Hitze, die der Kamin
abstrahlte und die sie jetzt brauchte, um Körper und Seele
aufzuwärmen. Maria wollte diese Geschichte nicht weiterhören -
sie vermittelte ihr das Gefühl, daß die Welt stehengeblieben war,
daß alles sich wiederholte, daß der Mensch niemals in der Lage
sein würde, dem Sex den verdienten Respekt
entgegenzubringen.
Aus Marias Tagebuch in der Nacht, in der sie barfuß durch
den Jardin Anglais in Genf gegangen war:
Mich interessiert nicht, ob das, was ich tue, einmal heilig war
oder nicht. ICH HASSE, WAS ICH TUE. Es zerstört meine Seele, läßt
mich den Kontakt zu mir selbst verlieren, zeigt mir, daß Schmerz
eine Entschädigung ist, Geld alles kauft, alles rechtfertigt.
Niemand, den ich kenne, ist glücklich; die Freier wissen, daß
sie für das, was sie eigentlich gratis bekommen sollten, bezahlen
müssen, und das ist deprimierend. Die Prostituierten wissen,
daß sie das verkaufen müssen, was sie lieber nur aus Lust und
Zärtlichkeit geben möchten, und das ist zerstörerisch. Ich habe
schwer mit mir gekämpft, bevor ich niedergeschrieben und
akzeptiert habe, daß ich unglücklich bin, unzufrieden - ich muß
noch ein paar Wochen durchhalten.
Dennoch kann ich nicht einfach schweigen und so tun, als
wäre alles normal, nur eine vorübergehende Phase in meinem
Leben. Ich möchte sie vergessen, ich muß lieben nur das, ich
muß lieben.
Das Leben ist zu kurz - oder zu lang, als daß ich mir erlauben
könnte, es so zu vertun.
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Das ist nicht sein Haus. Es ist auch nicht ihr Haus. Es ist
weder Brasilien noch die Schweiz, sondern ein Hotel - das
irgendwo auf der Welt sein könnte und dessen pseudofamiliäres
Ambiente doppelt kühl wirkt.
Es ist nicht das Hotel mit dem schönen Blick auf den Fluß,
mit der Erinnerung an den Schmerz, die Ekstase; die Fenster
dieses Hotels gehen auf den Jakobsweg, einen Weg für Pilger
statt Büßer, einen Ort, wo die Menschen einander in den
Straßencafes begegnen, das : Licht9 entdecken, miteinander
reden, sich anfreunden, sich verlieben. Es regnet, und um diese
Nachtzeit liegt der Jakobsweg wie ausgestorben da - vielleicht
muß der Weg sich ein wenig von den vielen Füßen erholen, die
seit Jahrhunderten tagtäglich auf ihm entlanggegangen sind.
Das Licht ausmachen. Die Gardinen zuziehen.
Bitten, er möge sich ausziehen. Sie zieht sich auch aus.
Nachdem sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben,
kann sie im matten Lichtschein, der von draußen hereinfällt, die
Umrisse des Mannes erkennen. Bei ihrem letzten Treffen hatte
nur sie einen Teil ihres Körpers entblößt.
Zwei sorgfältig gefaltete Seidentücher hervorholen, aus denen
alle Parfüm- und Seifenrückstände herausgespült worden sind.
Ihn bitten, sich die Augen zu verbinden. Er zögert, macht eine
Bemerkung über die verschiedenen Höllen, durch die er bereits
gegangen ist. Sie sagt, es sei keine Hölle und sie brauche
vollständige Dunkelheit, denn jetzt sei sie an der Reihe, ihm
etwas beizubringen. Er läßt es mit sich geschehen, legt die
Augenbinde an. Sie tut es ihm nach; jetzt ist es stockfinster. Sie
fassen sich bei den Händen, um zum Bett zu gelangen.
: Nein, wir dürfen uns nicht hinlegen. Wir werden uns
hinsetzen, einander gegenüber, nur etwas näher beieinander als
beim ersten Mal, so daß meine Knie deine Knie berühren.9
Sie hatte das schon immer einmal machen wollen, aber nie
genügend Zeit dafür gehabt. Weder mit ihrem ersten Freund
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noch mit dem Mann, mit dem sie zum ersten Mal geschlafen
hatte. Auch nicht mit dem Araber, der für die tausend Franken,
die er bezahlt hatte, vielleicht mehr erwartet hatte, als sie geben
konnte. Und auch nicht mit den vielen Männern, die sich bei ihr
abwechselten und die manchmal aus einem animalischen Trieb,
manchmal aus einem Wiederholungszwang oder Männlichkeits-
wahn mit ihr schliefen und die sie manchmal kaum beachtet
hatte, trotz der romantischen Anwandlungen, die manche von
ihnen an den Tag legten.
Sie denkt an ihr Tagebuch. Sie hat genug von alledem. Sie
weiß, daß sie in wenigen Wochen abreisen wird, und deshalb
gibt sie sich diesem Mann hin, weil in ihm das Licht ihrer
eigenen Liebe verborgen ist. Die Erbsünde bestand nicht darin,
daß Eva den Apfel aß, sondern darin, daß Eva Adam mit
hineinzog, weil sie sich nicht traute, diese Erfahrung allein zu
machen.
Es gibt Dinge, die kann man nicht teilen. Wir sollten aber
auch keine Angst vor den Ozeanen haben, auf die wir uns
freiwillig hinauswagen; Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Menschen gehen durch die Hölle, bis sie das begriffen haben.
Wir sollen einander lieben, nicht aber einander besitzen
wollen. Ich liebe diesen Mann, weil ich ihn nicht besitze und er
mich nicht besitzt. Wir sind frei in unserer Hingabe, das muß ich
mir dutzend-, hundert-, millionenfach vorsagen, damit ich es
endlich selbst auch glaube.
Maria denkt an ihre Kolleginnen im : Copacabana9 . Denkt an
ihre Mutter, an ihre Freundinnen zu Hause: sie alle glauben, daß
der Mann nur für diese elf Minuten am Tag lebt und bereit ist,
dafür auch noch ein Wahnsinnsgeld zu zahlen. Aber das stimmt
nicht; der Mann hat auch weibliche Seiten, auch er sucht die
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